Hinterm Horizont – vom Brücken bauen
Interkulturelles Jugendtheaterprojekt gegen Rassismus, für Vielfalt mit jungen Menschen aus Deutschland und der Côte d’Ivoire im Herbst in Bouaké
Von Novemberfrust ist beim Theater PATATi-PATATA nichts zu spüren. 18 Tage war das Theater PATATi-PATATA mit drei jugendlichen Spieler*innen des TeenieTheaterTreff in der Reutlinger Partnerstadt Bouaké an der Elfenbeinküste, um gemeinsam mit zwölf ivorischen Schüler*innen verschiedener Lycées aus Bouaké ein Theaterstück zu entwickeln. Die beiden Deutschlehrer von APABO, Nambegué Touré und Ange Frédéric Dodohoré haben uns dabei begleitet und bestens betreut.
Ein Stück entsteht über Vorurteile, Respekt und Völkerverständigung
Zwei Wochen lang haben insgesamt 15 junge Menschen aus Reutlingen und Bouaké gemeinsam ein Theaterstück entwickelt. Ausgangspunkt für das Stück waren Fragen der jungen Menschen an die jeweils andere Kultur, sowie Vorurteile und ihre Vorstellungen des Lebens und der Menschen auf dem anderen Kontinent. „Ich habe gehört, dass…“ oder “Hilfe, ich fahre nach Afrika!“ – „Hilfe, die Deutschen kommen.“ Was erwartet mich? Wir sprechen anders, wir essen anders und vor allem wir denken anders. Ein Problem – oder doch nicht?
Täglich probten die jungen Menschen unter der Leitung von Sonka Müller an ihren selbstgeschriebenen Texten. Auf den Proben wurden die Sorgen, Ängste und Vorurteile überprüft. Und das Fazit: Es ist ganz anders, als erwartet, wenn wir uns real begegnen und austauschen. Wir entdeckten eine neue unbekannte Welt. Viele Alltagssituationen und Eindrücke wurden spielerisch verarbeitet. Offensichtliche Unterschiede wie Haare und Hautfarbe, schwarz und weiß – welche Rolle spielen diese Äußerlichkeiten? Können wir Freunde werden? Diese Frage stellten sich einige der jungen Menschen – und beantworten sie im Stück selber: „Wir sind verschieden- ja- von Weitem, aber von Nahem?- Nein. In einer Szene über die ivorische Teezeremonie „le grin“, erfährt man neben Teekochen viel über Gastfreundschaft, Freundschaft, Familienbande, Zusammenhalt und Respekt. Ob wir in Deutschland auch Tee trinken? „Ja, vor allem wenn es kalt ist“ so wie jetzt im Herbst und Winter, wenn die Blätter fallen, Rilke lässt grüßen, die Natur eine Pause macht und leise der Schnee rieselt. Unvorstellbare Jahreszeiten für Ivorer und sehr fragwürdig, ob und wie man diese Kälte überleben kann. Schnee, den würden schon alle gerne mal sehen. Aber der wird immer weniger. Und so spannt sich der Bogen von Szenen über unterschiedliche Lebensweisen zum weltweit erlebbare Klimawandel. In Europa, in Afrika, denn er ist (leider) überall spürbar. Die jungen Menschen möchten sich engagieren im Klimaschutz „there is no planet B“. Auf einer Dorfversammlung wird im Stück diskutiert, und Überlegungen, was wir jeder für sich, aber vor allem was wir gemeinsam tun können, unsere Erde zu schützen. Als ersten Schritt beschließen die Spieler*innen im Stück eine Brücke zu bauen, eine Brücke der Verständigung zwischen den Völkern. Dafür braucht es mehr als Backsteine und Zement. Respekt, Offenheit, Freundschaft, Gleichberechtigung, einander zuhören auf Augenhöhe, das sind die Bausteine für „le Pont du Partenariat“. Die Dorfversammlung endet mit den Worten: “An die Arbeit- lasst uns diese Brücke zwischen den Völkern bauen- Wir sind alle Menschen“.
Am 6. November fand eine berauschende Premiere im Kulturzentrum Jaques Aka in Bouaké vor 1.800 jungen Zuschauer*innen statt auf Französisch und Deutsch, mit Händen und Füssen. Kommunikation auf allen Ebenen. Und wenn der Kopf mal nicht mehr hin und her springen konnte, halfen Tanz und Musik, mit traditionellen Instrumenten wie Djembe und Balafon.
Völkerverständigung
Nach wenigen Tagen waren die jungen Menschen ein Herz und eine Seele. Kaum zu glauben, dass sie sich vorher nicht kannten. Es wurde unheimlich viel diskutiert, geredet und gelacht. In den Probenpausen wurde getanzt, gemeinsam gekocht und gespeist, Uno, Mühle und viele andere Spiele gespielt. Ausflüge auf den bunten Markt oder aufs Dorf fanden statt, Spaziergänge durch unbekannte Wälder und zu nie gesehen Feldfrüchten, Überlandfahrten mit dem Motorrad unter gleisender Sonne und durch tropische Nächte unterm Sternenhimmel. Wir wurden zu Musikproben und traditionellen Hochzeiten eingeladen, waren bei zahlreichen Familien zu Gast und haben deutsche Geburtstagsfeierkultur exportiert. Es war einfach eine grandiose Zeit mit unglaublich engagierten und weltoffenen, jungen Menschen.
Wir danken:
allen, die uns finanziell und ideell bei diesem tollen, gemeinsamen Theaterprojekt zwischen den Welten unterstützt haben.
Danke an die Stadt Reutlingen und an la Mairie de Bouaké, insbesondere an Herrn Dakuyo, an AREBO (Städtepartnerschaftsverein in Bouaké), an APABO Deutschlehrerverbund in Bouaké), an alle Sponsoren und an alle Menschen in Bouaké, die uns ihre Häuser und Herzen geöffnet habe
Das Team:
Projektleitung und Regie: Sonka Müller, Theater PATATi-PATATA
Projektleitung und Organisation: APABO, Nambegué Touré und Ange Frédéric Dodohoré
Musik: Koné Boué Léonard, „KBL Katana Club de Bouaké“
Betreuung: Soumaila Doumbia, und viele andere
Köchin: Awa
Spieler*innen:
3 TeenieTheaterTreff Spieler*innen aus Reutlingen: Clara Tahami, Malte Höflinger, Anna Meisinger
12 ivorische Spieler*innen der Lycées: Lycée Moderne 2 (Coulibaly Djénébou, Bakayoko Nafatoumata), Lycée Moderne Belleville (Konaté Bady Rahïmat, Fofana Adama, Coulibaly Yah Korotoum, Kouadio Amoin Ange Hermance Traoré Fatoumata Bougoutchô, Ouattara Rokiatou), Lycée Martin Luther King (Souaré Adam), Lycée Classique et Moderne 1 (Sylla Alassane), Lycée Moderne Jeunes Filles (Kouamé Ahoundjué Merveille), Collège Modern Jeunes Filles (Soro Mariam)
Projektbericht
Hier können Sie den ausführlichen Projektbericht als PDF herunterladen.
Projektbericht AREBO
Hier können Sie den ausführlichen Projektbericht unseres Projektpartners aus Bouaké als PDF herunterladen.