Wir freuen uns über die große Resonanz von Seiten der Flüchtlinge: 13 Kinder aus sieben Familien und deren Eltern sind beim Projekt bisher dabei. Bei unserem Herbsttag auf dem Listhof am Sa. 17.10.2015 kamen sogar noch
sieben junge syrische Männer mit. Gefördert wird das Projekt von der Diakonie, darüber hinaus vom Landratsamt und aus privaten Spenden an unseren Förderverein Theater ohne Grenzen e.V.
Was machen Mensch und Tier in der kalten Jahreszeit?
Mit den Mitteln des Theaters erspielen wir mit den Kindern Situationen zu den Jahreszeiten. In der Gruppe sind viele kleinere Kinder zwischen 5 und 8 Jahren, so wie einige 10 bis 13-jährige, was es nicht ganz einfach macht, die Interessen unter einen Hut zu bringen. Einige der Kinder sprechen sehr gut deutsch andere sind erst vor kurzem angekommen und haben keinerlei
Sprachkenntnisse. Wir haben uns daher dazu entschieden, die Jahreszeiten in Deutschland und mit dem was da so passiert, was man alles feiert und warum (Laterne laufen, Halloween, Nikolaus, Weihnachten etc.) mit bildnerischen Mitteln, Bewegung, Pantomime, Licht und Schatten aber auch mit Ausflügen zu erarbeiten.
Familie Eichhorn kommt ins Spiel
Entstanden ist aus der Improvisation der Kinder die Geschichte einer Eichhörnchenfamilie: Sinjab (syrisch für Eichhörnchen) und Ketër (albanisch für Eichhörnchen) und ihre Familien bereiten sich auf den Winter vor. Sie legen Vorräte an, verstecken Nüsse, bauen ein Nest, suchen Wärme, haben Hunger, finden ihr Futter wieder oder auch nicht. Eichhorns ernten Äpfel, Birnen, Trauben, backen und pressen Apfelsaft – im Spiel und ganz real. Bei unserem ersten gemeinsamen Ausflug zum Umweltbildungszentrum Listhof sollte das Gespielte in die praktische Erfahrung ungesetzt werden. Wir haben Eicheln, Kastanien, Blätter, Äpfel gesammelt und Apfelsaft gemacht: Gemeinsam ernten, schnippeln, pressen, quetschen- trinken und zwischendurch sich Hände und Füße am Lagerfeuer wärmen – denn: es ist Herbst, es wird kalt. Auch das Wetter spielt herbstig mit. Es ist grau und nieselig an diesem Tag. Für Sinjab, Ketër und ihre Freunde und Eltern kein Problem. Es wird viel gelacht bei Eichhorns.
Mit dem Ende der Sommerzeit werden die Tage kürzer. Es dunkelt früh. Eichhorns brauchen Licht, und müssen sich vor Wolfsgeheul und gefährlichen Tieren schützen, die nachts im Wald lauern. Kürbismännchen helfen da ungemein.
Mit Licht- und Schattenspiel verwandeln sich die Eichhorns in gefährliche Fratzen, in böse Geister, die mit rhythmischen Heul-fauch-klängen die dunklen Wintergeister vor ihrer Höhle zu vertreiben suchen.
Die gruseligen Fratzen der Kürbismännchen versuchen wir auf uns selber zu übertragen. In der Halloweennacht kann man sich vor den Wintergeistern am besten dadurch schützen, dass man selber ein Geist wird. Gemeinsam wird mit den ulkigsten Zauberwortschöpfungen in diversen Sprachen ein Trank gebraut – ein Schluck genügt und die Eichhornbande verwandelt sich Stück für Stück in gruslige Monster- ein Spiel, das reichlich Spaß macht. Grimassen werden geschnitten, Augen rollen, Finger werden zu klauen. Zu rhythmischer Musik spielen wir den Brauch „Süßes oder Saures“ im Theater nach. Der Rhythmus verbindet die Kinder zu einer Geistergruppe und was sonst häufig chaotisch daherkommt, wird plötzlich zu einer fast schon ausgetüftelten Gruppenchoreografie.
Und dann wird es Winter…
Es schneit und schneit und schneit… leider nur auf der Probe. Schnee ist kalt und leise. Schnee ist weiß man kann darin Schlittenfahren, Schneemänner bauen, Schneeballschlacht machen, sich hineinfallen lassen. Die Eichhorns spielen mit ihren Freunden im Winterwald alle diese Winterspiele.
Doch der Wind rauscht durch die Blätter und flüstert einem nach dem andere ins Ohr: es gibt bald ein Fest – ein großes Fest. Was für ein Fest könnte das sein? Geburtstag, Silvester? Diverse Vorschläge werden machen die Runde. Nein, „Weihnachten“ kommt. Und was passiert da?
Spielerisch bereiten wir den ersten Ausflug ins Theater vor zur Vorstellung von „Weihnachtsmann vergiss mich nicht“ und unserer gemeinsamen Weihnachtsfeier. Dafür muss man einiges vorbereiten, zum Beispiel Plätzchen backen.
Zunächst proben wir das pantomimisch: Bennen die möglichen Zutaten und Tätigkeiten – jedes Kind wird einmal „durchgeknetet“ und kommt als riesen Plätzchen in den Backofen. Erstaunlich, wie vorsichtig und rücksichtsvoll die sonst quirlige Bande hier miteinander umgeht.
Der Tisch wird gedeckt, das Weihnachtskonzert vorbereitet… und alle warten gespannt auf den Weihnachtsmann… Der kommt mit Kollegen. Verstärkung ist immer gut…
Mit einer gemeinsamen Plätzchenbackaktion, bei der das Mehl sich auch hervorragend für die Gestaltung von Weihnachtsmannbärten eignet sind alle Vorbereitungen getroffen und wir beenden mit dem gemeinsamen Theaterbesuch unseres Kinderstückes „Weihnachtsmann vergiss mich nicht“ am So. 13. Dezember im FranzK und anschließender Weihnachtsfeier mit Plätzchen, Filzwindlichter basteln und Musik unser Projekt „Sinjab und Keter überwintern.“ Über 30 Bewohner aus der Allensteinerstrasse sowie zahlreiche Reutlinger Bürger und einige treue Flüchtlingsfamilien aus unserem Projekt in der Carl-Zeiss-Straße waren im Theater. Es war so mucksmäuschenstill, dass man den Schnee in den Wolken hören konnte.
Wir möchten uns bei allen bedanken, die dieses Projekt möglich gemacht haben, bei allen helfenden Händen, bei allen Geldgebern, bei den Kindern und ihren Eltern und allen anderen Bewohnern der Allensteinerstrasse, die immer wieder neugierig vorbeischauten, mithalfen oder einfach nur zum reden kamen.
Sinjab und Keter sagen: „Tschüss“ …und sind gespannt wie’s weitergeht.